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  • BGH, Urteil vom 3. Mai 2011- I-21 U 94/10

Recht der Erneuerbaren Energien

BGH, Urteil vom 3. Mai 2011 - I-21 U 94/10

Oberlandesgericht Hamm, I-21 U 94/10

Datum: 03.05.2011
Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper: 21. Zivilsenat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: I-21 U 94/10
Vorinstanz: Landgericht Arnsberg, I-4 O 434/09

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 06.05.2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg – Az. 4 O 434/09 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

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Gründe:

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I.

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Gemäß § 540 Abs.1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

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Die Klägerin ist Betreiberin von Windkraftanlagen und macht im Wege der Teilklage Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Stromnetzbetreiberin aufgrund eines behaupteten fehlerhaften Anschlusses einer Windkraftanlage an das Netz der Beklagten geltend.

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Die Klägerin, die teilweise auch als MK Windkraft Beteiligungsprojekte firmiert, beabsichtigte, in B-O im Windpark "I-L" vier Windkraftanlagen des Typs E-82 mit einer Gesamtnennleistung von 8.000 kW zu errichten. Bezüglich der Netzeinspeisung wandte sich die Klägerin an die Beklagte, die die Betreiberin der dortigen Stromnetze ist.

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Mit Schreiben vom 09.05.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass jeweils zwei Anlagen (WEA 1 und 3) mit einer Gesamtleistung von 4.000 kW an der Sonderkundenstation "WKA I-X" und zwei Anlagen (WEA 4 und 5) mit einer Gesamtleistung von 4.000 kW an der Ortsnetzstation "Z2 in B-I1 angeschlossen werden könnten. Die Klägerin sollte die 10-kV-Übergabestationen auf eigene Kosten errichten. Die Beklagte würde den Anschluss der Übergabestationen an das Mittelspannungsnetz übernehmen.

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Bei beiden Netzverknüpfungspunkten "WKA I-X" und "Ortsnetzstation Z1 handelt es sich um ein Netz mit einer Spannung von 10 kV, welches die für einen Anschluss geeignete Spannungsebene aufweist. Beide Verknüpfungspunkte gehören demselben Netz an. Der Verknüpfungspunkt "WKA I-X" befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Standort der Anlage WEA 5.

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Die Verwirklichung der WEA 1 übernahm die T GmbH & Co.KG. Diese Anlage wurde an dem Netzverknüpfungspunkt "WKA I-X" angeschlossen. Die WEA 4 wurde hingegen nicht verwirklicht.

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Bauherrin der Anlagen WEA 3 und 5 war zunächst die T GmbH & Co. KG. Mit Schreiben vom 16.03.2009 zeigte die T GmbH & Co. KG einen Bauherrenwechsel an. Bauherrin und Betreiberin der WEA 3 ist die Klägerin. Die Windenergieanlage WEA 5 wurde mit Vertrag von 12.02.2009 von der Firma T2 und T oHG übernommen.

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Mit Schreiben vom 13.3.2009 forderte die anwaltlich vertretene Klägerin in ihrem sowie im Namen der Fa. T2 und T oHG die Beklagte auf, die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Bau befindliche Windenergieanlage WEA 5 an dem Verknüpfungspunkt "WKA I-X" anzuschließen und verwies vorsorglich auf deren gegebenenfalls erforderliche Ausbaupflicht sowie auf das Wahlrecht des Netzverknüpfungspunktes "WKA I-X" gem. § 5 Abs. 2 EEG 2009. Nachdem die Beklagte diesem Begehren im Folgenden nicht nachkam, akzeptierte die Rechtsvorgängerin der Klägerin der Anlage WEA 5 mit Schreiben vom 4.5.2009 die Anschlussstelle "Ortsnetzstation Z2, behielt sich jedoch Schadensersatzansprüche vor.

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Am 16.10.2009 wurde die WEA 3 an der Anschlussstelle "WKA I-X" angeschlossen.

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Beide Windkraftanlagen sind Anlagen des neueren Typs E-82 E2 mit einer Leistung von jeweils 2.300 kW.

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Am 2.11.2009 wurde die WEA 5 an der in Luftlinie weiter entfernt liegenden Anschlussstelle "Ortsnetzstation Z2 angeschlossen, wobei die Übergabestation jedoch etwas südlich hiervon an dem Verknüpfungspunkt "F Weg" errichtet wurde. Mit Schreiben vom 10.8.2009 trat die T2 und T oHG etwaige Ansprüche auf Ersatz von Mehrkosten für den Anschluss der WEA 5 an die weiter entfernte Anschlussstelle an die Klägerin ab.

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Die Parteien streiten darüber, ob die Anschlussstelle "WKA I-X" der geschuldete Verknüpfungspunkt für die Anlage WEA 5 der Klägerin darstellt.

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Die Klägerin hat behauptet, dass das für den Anschluss der WEA 1 verwendete Kabel im vorhandenen 10-kV-Netz technisch geeignet sei, die gesamte Leistung der Anlagen WEA 1, WEA 3 und WEA 5 von 6 MW aufzunehmen.

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Sie hat außerdem die Auffassung vertreten, dass sich die Verpflichtung der Beklagten zum Anschluss der Anlage WEA 5 an den nähren Netzverknüpfungspunkt "WKA I-X" sowohl aus § 5 I als auch aus § 5 II EEG 2009 ergebe. Der Verstoß der Beklagten hiergegen führe zur Schadensersatzpflicht. Die Mehrkosten für den Anschluss der WEA 5 an die "Ortsnetzstation Z2 beliefen sich auf mindestens 192.950,11 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 17.02.2010 (Bl. 49 ff.) Bezug genommen.

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Nach neuer Rechtslage sei zwar keine gesamtwirtschaftliche Betrachtung mehr vorzunehmen. Aber auch dann würde sich der Anschluss an die Anschlussstelle "WKA I-X" als die kostengünstigere Lösung darstellen.

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Die Klägerin hat sich die Geltendmachung eines weiteren Schadens in Höhe von 62.133,33 € vorbehalten.

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Die Klägerin hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie 192.950,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2010 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten.

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Sie hat behauptet, dass der Anschluss aller Anlagen an die Anschlussstelle "WKA I-X" aus technischen Gründen wegen der drohenden Überlastung nicht möglich sei. Im Übrigen habe der Inhaber der Klägerin in einem Telefonat am 24.10.2008 erklärt, dass er auf einen Anschluss der WEA 3 am Verknüpfungspunkt "WKA I-X" verzichte, die Anlage könne ebenso wie die WEA 5 an die "Ortsnetzstation Z2 angeschlossen werden.

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Bei der Bestimmung der Verknüpfungspunkte nach § 5 I und § 5 II EEG 2009 sei auch nach neuer Rechtslage eine gesamtwirtschaftliche Kostenanalyse vorzunehmen. Diese führe dazu, dass der Anschluss der WEA 5 an die weiter entfernt liegende Anschlussstelle "Ortsnetzstation Z2 nicht zu beanstanden sei. Bezüglich der Einzelheiten der streitigen Berechnung wird auf die Klageerwiderung (Bl. 21 ff. d.A.) und den Schriftsatz vom 23.04.2010 (Bl. 84 ff. d.A.) Bezug genommen.

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Die Klägerin habe auch nicht den Verknüpfungspunkt "WKA I-X" für die WEA 5 wirksam wählen können, weil dies wegen der hohen Kosten rechtsmissbräuchlich wäre. Der Ausbau der Anschlussstelle sei zwar möglich, aber wegen der Kosten nicht zumutbar.

27

Die Beklagte hat im Übrigen die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadens bestritten.

28

Das Landgericht hat durch Grundurteil vom 6.5.2010 der Klage dem Grunde nach stattgegeben, da die Voraussetzungen der Anschlusspflicht der Beklagten an den Verknüpfungspunkt "WKA I-X" nach § 5 Abs. 1 S. 1 EEG 2009 gegeben seien, weil nach der neuen Rechtslage hier keine gesamtwirtschaftliche Kostenanalyse vorzunehmen sei und es auf die Geeignetheit der Anschlussstelle "WKA-I-X" zur Aufnahme der Leistung der WEA 5 wegen der Verpflichtung der Beklagten zum Ausbau nicht ankomme.

29

Lediglich ergänzend hat das Landgericht auf die geschuldete Anschlussstelle "WKA I-X" infolge des Wahlrechts der Klägerin gemäß § 5 Abs. 2 EEG 2009 hingewiesen. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 94-100 d.A.) wird verwiesen.

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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

31

Die Beklagte ist der Ansicht, für die Bestimmung des richtigen Netzverknüpfungspunktes hätte in Übereinstimmung mit der Rechtslage zum EEG 2000 und 2004 auch nach dem EEG 2009 eine gesamtwirtschaftliche Kostenanalyse erfolgen müssen. Auch bei demselben Netz eines Netzbetreibers komme es auf eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung an. Soweit das Landgericht eine gesamtwirtschaftliche Kostenanalyse nur im Vergleich mit einem Verknüpfungspunkt in einem anderen Netz für erforderlich gehalten habe, so sei dies nicht zutreffend.

32

Im Vergleich zum alten § 4 Abs. 2 S. 1 EEG 2004 enthalte der § 5 Abs. 1 S. 1 EEG 2009 lediglich eine Konkretisierung hinsichtlich der technischen Geeignetheit, ansonsten sei der Wortlaut – insbesondere der letzte Halbsatz – unverändert. Auch nach der alten Rechtslage ließe sich aus § 4 Abs. 2 S. 1 EEG 2004 unbestritten der richtige Verknüpfungspunkt ermitteln. Dass § 5 Abs. 1 S. 1 EEG 2009 nur noch auf die Ermittlung des Verknüpfungspunktes und nicht des verpflichteten Netzbetreibers abziele, folge aus dem Umstand der Aufteilung der alten Regelung in mehrere Paragrafen zur Schaffung eines anwenderfreundlichen Gesetzes (vgl. BT-Drs.16/8148, S. 41, linke Spalte).

33

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Umstand, dass sich aus der Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 1 EEG 2009 nicht ausdrücklich ergebe, dass keine Änderung der Rechtslage gewollt sei, keinen Umkehrschluss dahingehend zulasse, dass eine Änderung gewollt sei. Die hierbei in Bezug genommenen §§ 7 Abs.1 , 8 Abs. 2, 4, 18, 22 EEG 2009 unterlägen einer Situation, die mit der hier einschlägigen nicht vergleichbar sei. Diesen Vorschriften sei gemeinsam, dass die durch den Gesetzgeber vorgenommene Änderung des Wortlauts eine Klarstellung dergestalt notwendig gemacht habe, dass diese schon im Rahmen der alten Regelung Geltung gehabt habe oder eine Änderung der Rechtslage nicht gewollt sei. § 8 II EEG 2009 sei vollständig neu eingefügt worden.

34

Die Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 1 S. 1 EEG enthalte den eindeutigen Hinweis, dass die alte Rechtslage zur Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunktes weiter Geltung haben solle. Dies werde aufgrund der Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 18.7.2007, Az. 288/05, in welchem es um die Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise bei mehreren Netzverknüpfungspunkten innerhalb des Netzes eines Netzbetreibers gehe, umso deutlicher. Auf die Gesetzesbegründung BT-Drucksache 16/8148, S. 41, linke Spalte und das Urteil vom BGH vom 18.7.2007, Az. VIII ZR 288/05 wird Bezug genommen.

35

Die Beklagte beanstandet ferner, es dem Willen des Gesetzgebers widersprechen würde, wenn eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung nur noch bei Berührung eines Verknüpfungspunktes eines anderen Netzbetreibers in Betracht komme.

36

§ 5 Abs. 2 EEG 2009 sei nicht anwendbar.

37

Die Beklagte beantragt,

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die Klage der Klägerin und Berufungsbeklagten unter Abänderung des Grundurteils des Landgerichts Arnsberg vom 06.05.2010 abzuweisen.

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Hilfsweise beantragt sie,

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die Sache zur weiteren Verhandlung an das Landgericht Arnsberg zurückzuverweisen.

41

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

43

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und verweist im Wesentlichen auf ihr Vorbringen in der ersten Instanz. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei nach § 5 Abs. 1 S. 1 EEG 2009 bei demselben Netz eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung nicht erforderlich.

44

In Übrigen ergebe sich der Schadensersatzanspruch auch aus einer Verletzung des § 5 II EEG 2009. Die Beklagte habe das Urteil insoweit nicht angegriffen.

45

II.

46

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

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Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m § 5 Abs. 1 EEG 2009 dem Grunde nach bejaht.

48

Die Beklagte hat hier eine ihr als Netzbetreiberin nach § 5 Abs. 1 EEG 2009 obliegende Pflicht schuldhaft verletzt, weil die Zuweisung des Verknüpfungspunktes "Ortsnetzstation Z2 nicht den Anforderungen des § 5 Abs. 1 EEG 2009 entspricht und der Anschluss stattdessen an dem Verknüpfungspunkt "WKA I-X" hätte erfolgen müssen.

49

Der Netzbetreiber macht sich schadensersatzpflichtig, wenn gegen § 5 Abs. 1 EEG 2009 verstößt (Resthöft/Bönning, EEG, 3. Aufl., § 5 Rdn. 15)

50

Gem. § 5 Abs. 1 EEG 2009 sind die Netzbetreiber verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und aus Grubengas unverzüglich vorrangig an der Stelle an ihr Netz anzuschließen (Verknüpfungspunkt), die im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist und die in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist, wenn nicht ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist.

51

Die Netzverknüpfungspunkte "Ortsnetzstation Z2 und "WKA I-X" sind hinsichtlich der Spannungsebene geeignete Verknüpfungspunkte im Sinne des § 5 Abs. 1 EEG 2009, weil unstreitig das 10-kV-Stromnetz der Beklagten grundsätzlich geeignet ist, die von den WEA 5 produzierte Strommenge aufzunehmen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Verknüpfungspunkt tatsächlich technisch geeignet ist, die Strommengen in das Netz einzuspeisen. Denn gemäß § 5 Abs. 4 EEG 2009 besteht die Pflicht des Netzbetreibers zum Netzanschluss auch dann, wenn die Abnahme des Stroms erst durch die Optimierung, die Verstärkung oder den Ausbau des Netzes nach § 9 EEG möglich wird. Nach § 9 Abs. 1 EEG 2009 sind Netzbetreiber auf Verlangen der Einspeisewilligen verpflichtet, unverzüglich ihre Netze entsprechend dem Stand der Technik zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, um die Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms aus erneuerbaren Energien sicherzustellen.

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Der Netzverknüpfungspunkt "WKA I-X" ist unstreitig der in der Luftlinie am kürzesten entfernte mögliche Verknüpfungspunkt zum Standort der WEA 5, so dass auch dieses Kriterium des § 5 Abs. 1 EEG 2009 erfüllt ist.

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Die Anschlussstelle "Ortsnetzstation Z2 hingegen erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

54

§ 5 Abs. 1 EEG macht eine Ausnahme von der Verpflichtung der Netzbetreiber auch bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen, wenn ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist.

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Zwar ist zwischen den Parteien streitig, in welcher Höhe Mehrkosten bei der Optimierung des Netzes und des Anschlusses an einen weiter entfernt liegenden Verknüpfungspunkt anfallen. Unstreitig ist jedoch, dass durch die Optimierung der Anschlussstelle "WKA I-X" höhere Kosten für die Beklagte anfallen als bei einem Anschluss an den Verknüpfungspunkt "Ortsnetzstation Z2. Ebenso ist unstreitig, dass hier für den Anlagenbetreiber der Anschluss an der Anschlussstelle "Ortsnetzstation Z2 höhere Kosten angefallen sind.

56

Auf die Kosten kommt es jedoch nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 EEG 2009 nur dann an, wenn in einem anderen Netz ein wirtschaftlich günstigerer Verknüpfungspunkt vorhanden wäre. Unstreitig gehören hier beide Verknüpfungspunkte zum selben Netz der Beklagten.

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Die Parteien streiten darüber, ob über den Wortlaut hinaus der gesamtwirtschaftliche Vergleich auch dann anzustellen ist, wenn die in Betracht kommenden Verknüpfungspunkte demselben Netz angehören.

58

Die Beklagte hält auch in diesem Fall eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung für zwingend erforderlich und beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des BGH zu den Vorschriften des EEG 2000 und 2004.

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Der BGH hatte in seinen Entscheidungen vom 08.10.2003 (VIII ZR 165/01) und 10.11.2004 (VIII 391/03) entschieden, dass über den Wortlaut hinaus auch dann ein gesamtwirtschaftlicher Vergleich vorzunehmen ist, wenn die Verknüpfungspunkte demselben Netz angehören und hat dies im Wesentlichen mit dem Sinn und Zweck – Vermeidung volkswirtschaftlich unsinniger Kosten – und der Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 1 Satz 2 EEG 2004 (BT-Drucks. 15/2864, S. 33) begründet. Dort wurde ausdrücklich ausgeführt, dass die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung bei "demselben oder einem anderen Netz" eine Rolle spiele. Die Beklagte weist außerdem darauf hin, dass in der Begründung zum Gesetzesentwurf EEG 2009 (BT-Drucks. 16/8148) gerade zum Ausdruck gebracht worden sei, dass sich die Rechtslage durch die Neufassung nicht geändert habe.

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Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass diese Rechtsprechung auf das neue EEG nicht anwendbar ist.

61

Denn im Gegensatz zum alten Recht ist nach dem Wortlaut der Norm die Notwendigkeit einer gesamtwirtschaftliche Betrachtung eindeutig in Bezug auf einen Anschlusspunkt in einem anderen Netz beschränkt. Gegen eine erweiternde Auslegung des Wortlauts auf einen Anschlusspunkt in demselben Netz spricht, dass in dem ebenfalls neuen § 5 Abs. 2 EEG 2009 ausdrücklich eine Differenzierung zwischen "diesem" und einem "anderen" Netz vom Gesetzgeber vorgenommen wurde. Wenn innerhalb derselben Vorschrift eine entsprechende Differenzierung vorgenommen wird, dann kann § 5 Abs. 1 EEG 2009 nur so verstanden werden, dass auch tatsächlich ein anderes Netz gemeint ist. Denn anderenfalls hätte man auch in § 5 Abs. 1 EEG 2009 die Aufzählung "in diesem oder einem anderen Netz" erwartet. Wenn identische Begriffe in einem Gesetz verwendet werden, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ihnen auch die gleiche Bedeutung zuschreibt (LG Duisburg, Urteil vom 06.08.2010, 2 O 310/09). Zudem findet sich ein entsprechender Hinweis auf eine erweiternde Auslegung in der Gesetzbegründung zum EEG 2009 nicht mehr. Da das Problem der erweiternden Auslegung bei Schaffung des EEG 2009 bekannt war, muss die Nichtumsetzung der BGH-Rechtsprechung als bewusstes Weglassen aufgefasst werden.

62

Auch der Einwand der Beklagten, in der Gesetzesbegründung des neuen § 5 Abs. 1 EEG sei doch ausdrücklich das Erfordernis der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung genannt worden, überzeugt nicht. Der Gesetzgeber legt in der Begründung lediglich dar, wie der wirtschaftlich günstigste Verknüpfungspunkt zu bestimmen ist, aber nicht, dass diese Vorgabe über den in § 5 Abs. 1 EEG 2009 genannten Fall - anderes Netz - hinaus vorzunehmen ist (vgl. BT-Drucksache 16/8148, S. 41). Es steht aufgrund des Wortlauts des § 5 Abs. 1 (am Ende) EEG außer Frage, dass in dem dort genannten Fall eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung anzustellen ist, so dass die Ausführungen in der Begründung allein auf diesen Fall zu beziehen sind.

63

Auch Sinn und Zweck der Normen des neuen EEG 2009 erfordern nicht mehr eine erweiternde Auslegung. Der in Bezug auf die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung wortgleiche § 4 Abs. 2 S. 1 EEG 2004 hat als Ausgangspunkt die Definition des verpflichteten Netzbetreibers. Der Verknüpfungspunkt hingegen war weder in § 4 Abs. 2 EEG 2004 noch in § 13 Abs. 1 EEG 2004 (Kostentragungspflicht) definiert. Die Kostentragung knüpfte dabei an den technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt an. Es war so sinnvoll, den Verknüpfungspunkt nach denselben Kriterien zu ermitteln wie den verpflichteten Netzbetreiber und die Kostentragungspflicht (Resthöft/Bönning, EEG, § 5 Rdn. 26).

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Nunmehr finden sich die Kriterien für den konkreten Verknüpfungspunkt unmittelbar in § 5 Abs. 1 EEG 2009. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur alten Gesetzeslage. Es besteht so kein Bedürfnis mehr für eine Übertragung der Kriterien der Kostentragungspflicht (der alte § 13 Abs. 2 EEG 2004) auf den verpflichteten Netzbetreiber (§ 4 Abs. 1 EEG 2004). Die Einheitlichkeit entsteht heute dadurch, dass der Anschlusspunkt konkret in § 5 Abs. 1 EEG 2009 definiert wird (LG Duisburg, a.a.O.; Resthöft/Bönning, a.a.O.).

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Nach der Neuregelung besteht auch kein Bedürfnis mehr für eine erweiternde Auslegung, um den Netzbetreiber vor unsinnigen volkswirtschaftlichen Kosten zu schützen.

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Dies wird im EEG 2009 durch die §§ 5 Abs. 3, 13 Abs. 2 erreicht. Nach § 5 Abs. 3 EEG 2009 wird der Netzbetreiber von der Pflicht eines eventuellen wirtschaftlich unsinnigen Netzausbaus aufgrund der §§ 5 Abs. 1, Abs. 4 EEG 2009 befreit, wenn er dem Anlagenbetreiber einen anderen Verknüpfungspunkt zuweist. Zwar muss der Netzbetreiber dann die Mehrkosten des Anlagenbetreibers übernehmen, doch wird der Netzbetreiber aufgrund dieser Kostenübernahmeverpflichtung aus eigenem Antrieb die gesamtwirtschaftlich günstigste Lösung auswählen und so unsinnige Kosten vermeiden. Sinn und Zweck muss folglich nicht mehr durch eine erweiterte Auslegung zur Geltung gebracht werden, sondern ist seit der Neuregelung dem Gesetz immanent (LG Duisburg, a.a.O.; Resthöft/Bönning, a.a.O.).

67

Danach hätte der Anschluss hier gem. § 5 Abs. 1 EEG 2009 an dem Verknüpfungspunkt "WKA I-X" erfolgen müssen.

68

Der Anschluss an einen weiter entfernt liegenden Verknüpfungspunkt im selben Netz stellt eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB dar, so dass das Landgericht der Klage zu Recht dem Grunde nach stattgegeben hat.

69

III.

70

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 709 Nr. 10, 711 ZPO.

71

Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).